Ockham's Razor

Ockhams Rasiermesser: Warum die einfachste Lösung oft die beste ist

Du kennst das sicher: Dein Handy-Akku ist leer, obwohl du es die ganze Nacht am Ladekabel hängen ließest. Was ist wahrscheinlicher? Dass das Kabel kaputt ist – oder dass ein technischer Defekt im Ladegerät kombiniert mit einem Software-Update des Herstellers dazu geführt hat? Hier kommt Ockhams Rasiermesser ins Spiel. Dieses mentale Modell hilft dir, in komplexen Situationen den kürzesten Weg zur Lösung zu finden.


Philosophie Entscheidungen treffen Probleme lösen Komplexität vereinfachen

Was ist Ockhams Rasiermesser?

Das Prinzip stammt vom mittelalterlichen Philosophen und Theologen Wilhelm von Ockham (1288–1347). Es besagt:

„Von mehreren möglichen Erklärungen für ein Phänomen ist diejenige mit den wenigsten Annahmen wahrscheinlich die richtige.“

Kurz gesagt: Vermeide unnötige Komplexität. Es geht nicht darum, die „Wahrheit“ zu finden, sondern die plausibelste Erklärung mit dem geringsten Aufwand an Zusatzannahmen.


Ein praktisches Beispiel aus dem Alltag

Stell dir vor, dein Auto springt nicht an. Mögliche Erklärungen:

  1. Die Batterie ist leer.
  2. Die Zündkerzen sind defekt.
  3. Ein Dieb hat gezielt die Elektronik manipuliert, um an deine Airbags zu gelangen.

Ockhams Rasiermesser legt nahe, zunächst Option 1 zu prüfen. Hier reicht eine einfache Annahme (leere Batterie), während Option 3 eine komplexe Kette von Ereignissen erfordert.


Wo du Ockhams Rasiermesser anwenden kannst

1. Wissenschaft & Hypothesenbildung

Wissenschaftler bevorzugen Theorien, die mit möglichst wenigen Grundannahmen auskommen. Beispiel: Eine Erkrankung wird eher durch bekannte Viren verursacht als durch ein mysteriöses, unbekanntes Bakterium.

2. Alltagsentscheidungen

Wenn dein Kollege auf eine E-Mail nicht reagiert, ist es wahrscheinlicher, dass er sie übersehen hat, als dass er dich gezielt ignoriert oder gehackt wurde.

3. Problemlösung in Projekten

Statt komplexe Workflows einzuführen, um ein Kommunikationsproblem im Team zu beheben, prüfe zuerst, ob klare Zuständigkeiten oder regelmäßige Meetings fehlen.


Häufige Missverständnisse

❌ „Einfach = richtig“

Ockhams Rasiermesser sagt nicht, dass die einfachste Erklärung immer stimmt – nur, dass sie prioritär überprüft werden sollte.

❌ „Komplexität ist schlecht“

Manche Probleme sind tatsächlich komplex. Das Rasiermesser dient nur dazu, grundlose Verkomplizierung zu vermeiden.


So nutzt du das Prinzip gezielt

  1. Identifiziere alle möglichen Erklärungen für ein Problem.
  2. Zähle die Annahmen, die jede Erklärung voraussetzt.
  3. Starte mit der Lösung, die die wenigsten Zusatzannahmen benötigt.

Praxis-Tipp: Frage dich: „Was ist die minimalste Erklärung, die alle Fakten abdeckt?“


Fallstricke und Grenzen

Das Rasiermesser ist kein Allheilmittel. Es funktioniert nicht, wenn:

  • Beweise für Komplexität existieren (z. B. wiederkehrende Fehler, die auf ein tieferliegendes Systemproblem hinweisen).
  • Einfache Erklärungen bereits widerlegt wurden.

Fazit: Ein Werkzeug für klares Denken

Ockhams Rasiermesser erinnert uns daran, nicht voreilig in komplizierte Szenarien abzudriften. Es ist ein Filter gegen Selbstüberschätzung und hilft, Zeit und Ressourcen zu sparen. Nimm es in deinen mentalen Werkzeugkasten auf – aber vergiss nie, es mit gesundem Menschenverstand zu kombinieren.

Nächste Schritte:

  • Prüfe beim nächsten Problem bewusst: „Welche Annahmen könnte ich streichen?“
  • Trainiere das Prinzip anhand von Alltagssituationen (z. B. Missverständnisse in Beziehungen, technische Fehler).

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